Finanzierungen mit Bürgerkapital stieß auf großes Interesse

Kreativ und Vielfältig

Bild: Referenten v.l.n.r.: Hermann Härle, Monica Kleiser (Moderation), Josef Bühler, Gerhard Kiechle, Jürgen Lauten, Alexander Harder, Wolfgang Schleicher, Heinrich Güntner

Über 50 Teilnehmer aus Baden-Württemberg, darunter zahlreiche Bürgermeister, erlebten am Freitag, 11. Oktober eine inspirierende Tagung zum Thema „Finanzierungen mit Bürgerkapital“. Eingeladen hatte der Verband Katholisches Landvolk (VKL) zusammen mit sechs Kooperations­partnern, darunter die Diözese Rottenburg Stuttgart, die Akademie Ländlicher Raum Baden-Württemberg sowie die LEADER-Aktionsgruppe Oberschwaben. „Es ist beeindruckend, wie kreativ die vielfältigen Initiativen und Projekte im ländlichen Raum finanziert und realisiert werden“, sagte der der Geschäftsführer des VKL, Wolfgang Schleicher.

Einen strukturierten  Überblick über diverse Finanzierungsinstrumente und funktionierende Praxisbeispiele lieferte der baden-württembergische Pionier für bürgernahe Kommunal- und Regionalpolitik, Josef Bühler. Unser dem Motto „Erfolg ist was bleibt" konzipiert und realisiert Bühler Projekte für regionale Entwicklung. Voraussetzung für den Erfolg sei neben guter Planung auch Transparenz und Vertrauen, so Bühler. Daher biete der Ländliche Raum ein ideales Umfeld, denn man kenne sich und habe vor Augen, was in den Projekten passiere, erläuterte der Experte.

Ein altbewährtes und derzeit wieder aktuelles  Instrument um Projekte zu realisieren, ist die Gründung von Genossenschaften. Dem Leitsatz Raiffeisens „Was der Einzelne nicht vermag, das vermögen Viele“ folgend, gibt es Weltweit rund 800 Mio. Mitglieder, die an Genossenschaften beteiligt sind. In Baden-Württemberg gibt es rund 900 Genossenschaften mit knapp 4 Mio. Mitgliedern. Derzeit wächst ihre Zahl, insbesondere im Bereich der Energieerzeugung. Interessant ist die Rechtsform in vielen Bereichen, beispielsweise auch für Dorfläden oder gastronomische Einrichtungen.

Eine weitere Form breiter Beteiligung ist die Bürgerstiftung. Ein erfolgreiches Praxisbeispiel präsentierte Hermann Härle, Stiftungsvorsitzender in der Gemeinde Bugrieden im Landkreis Biberach. Die engagierten Bürger verfolgen das Ziel, die Lebensqualität vor Ort zu verbessern und unterstützen dazu beispielsweise Projekte zum Erhalt der Natur oder zur Förderung von Bildung, Kunst und Kultur. „Wir wollen, dass unsere Bürger und Wirtschaftsunternehmen mehr Mitverantwortung für die Gestaltung ihres Gemeinwesens übernehmen“, erläutert Härle. Derzeit plant die Bürgerstiftung ein Wohnprojekt für altersegerechtes Wohnen, in dem die Bewohner eigenverantwortlich leben und doch so viel Hilfe wie nötig erhalten.

Was passiert eigentlich, wenn auch der letzte Nahversorger (Metzger, Bäcker, Post und Bank ...) in einem Dorf oder einem kleinen Stadtteil seine Pforten schließt? Diese Frage beantwortete Jürgen Lauten zusammen mit einem Team mit der Planung eines innovativen DORV-Zentrums.  Es öffnet im November 2013 seine Pforten. Bürger erhalten hier ortsnah Lebensmittel des täglichen Bedarfs, die mit Dienstleistungen und bürgernahen sozialen Angeboten gekoppelt sind. Um die notwenigen Finanzmittel kümmert sich eine Finanzierungsgesellschaft über Bürgeranteile. Die hohe Zahl von Anteilseignern spricht für eine breite Akzeptanz vor Ort. „Die Rendite der Bürgernanteile ist die Grundversorgung im Dorf und somit die Steigerung der Lebensqualität,“ so Lauten.

Auch die Bürgeraktiengesellschaft ist eine erfolgversprechende Möglichkeit, um Finanzmittel für Projekte zur Verbesserung der Lebensqualität vor Ort zu beschaffen. Das beweist in der Praxis Gerhard Kiechle, der die Regionalwert AG, eine Bürgeraktiengesellschaft mit immerhin über zwei Millionen Euro Eigenkapital vorstellte. Die AG fördert innovative, ökologische und soziale Projekte in der Landwirtschaft. Die Aktionäre entscheiden mit darüber, was mit den gebundenen Namensaktien geschieht. Die  Partnerbetriebe verpflichten sich, neben den ökologischen, auch nachhaltige, soziale Kriterien wie Beschäftigungsstruktur, Entlohnung und Arbeitsplatzqualität zu gewährleisten. „Die Rendite ist dreifach: sozial, ökologisch und finanziell“, erläuterte Kiechle den Erfolg.

Eine weiteres Praxisbeispiel, welches auf der Tagung vorgestellt wurde, stammt aus Österreich. Der Verein „Mehr-Wert-Geld“ akquiriert zusammen mit Sparkassen und Raiffeisenbanken Bürgerkapital, welches zukunftsfähig und regional investiert wird. Die Zurverfügungstellung von Kapital ist auch eine Form der Bürgerbeteiligung.

„Die Kreativität, mit der die Menschen vor Ort Kapital generieren, um damit Projekte zu realisieren, welche die Lebensqualität vor Ort verbessern sollen, hat mich persönlich sehr beeindruckt“, sagt der Geschäftsführer des VKL Wolfgang Schleicher, nach der Tagung. Und weil es für die Akteure vor Ort äußerst hilfreich ist, sich über Projekte auszutauschen, voneinander zu lernen, gute Ideen und die Akteure kennen zu lernen, wird es sicherlich eine Fortsetzung geben, verspricht Schleicher. Erste Anfragen sind schon da. Hier finden Sie die Vorträge:

Einführung.Bürgerkapital, Josef Bühler,

Genossenschaften,Dr. Michael Roth,

Bürgerstiftung, Hermann Härle,

Bürgeranteile, Jürgen Lauten,

Regionalwert, AG,

Mehr-Wert-Geld, Alexander Harder