„Alles beginnt mit der Sehnsucht“

Tagung am 15. März 2012 in Heiligkreuztal

Verband Katholisches Landvolk und Leader Aktionsgruppe Oberschwaben veranstalteten eine Tagung zum Thema Lebensqualität durch Nähe mit über 100 Teilnehmern in Heiligkreuztal

Ist es möglich, Dörfer und Gemeinden, denen es an Zukunftsperspektiven mangelt, die zu Schlafdörfern werden, deren Einwohner sich nicht mit ihrer Heimat identifizieren, deren Häuser verfallen in l(i)ebenswerte Lebensmittelpunkte für die Menschen vor Ort zu verwandeln? Ein klares „Ja“ stand am Ende der Tagung „Lebensqualität durch Nähe“ am Dienstag dieser Woche im Kloster Heiligkreuztal bei Riedlingen. Veranstalter der Tagung mit über 100 Teilnehmern, darunter zahlreiche Bürgermeister und Gemeindeverantwortliche, waren der Verband Katholisches Landvolk (VKL) und die  Leader Aktionsgruppe Oberschwaben. Der Vorsitzende des VKL, Johannes Sauter, stellte in seiner Begrüßung zwei Fragen in den Raum, die im Laufe der Tagung geklärt werden sollten: Was ist zentral für die Projekte, die Lebensqualität durch Nähe schaffen? und Was genau macht eine Gemeinde zu einem Ort mit Lebensqualität?
Der engagierte Bürgermeister a.D. der Gemeinde Steinbach in Österreich und Begründer der Initiative SPES (Studiengesellschaft für Projekte zur Erneuerung der Strukturen), Karl Sieghartsleitner gab überzeugende Antworten auf diese Fragen. „Alles beginnt mit der Sehnsucht“, sagte der engagierte Mann, der es verstand die Teilnehmer nicht nur mit seinem Wissen und seiner Erfahrung zu inspirieren, sondern auch durch sein authentisches Auftreten, getragen von einem starken Glauben an eine wohlwollende Gottesgegenwart. Um aus dieser Sehnsucht Realität werden zu lassen, erläuterte Sieghartsleitner, sei es wichtig, sie in Worte oder Bilder zu fassen, sie zu einem Leitbild zu machen. Nicht jeder sei aber gleich begeistert über neue Ideen. „Ruhe in der Politik kann bis zur Totenstille gehen“, so der visionäre Referent. Sein Rat: „Gehen Sie kleine und wenn nötig noch kleinere Schritte.“
Einer Meinung ist Sieghartsleitner mit einem weiteren visionären Akteur in Sachen Lebensqualität durch Nähe: Mit Michael Pelzer, dem Bürgermeister der bayerischen Gemeinde Weyarn. „Einer der schlechtesten Ratgeber für eine erfolgreiches bürgerliches Engagement ist Angst“, erläuterte Pelzer. Angst voreinander oder vor einer ungewissen Zukunft lasse oft an alten Mustern und Herangehensweisen festhalten, die leicht in die Spirale nach unten führen könnten. Ein klares Leitbild sei eine wichtige Voraussetzung für ein angstfreies Klima, erläuterte Pelzer. Zu einem Leitbild zu finden, benötige man zunächst eine Bestandsaufnahme, die - so waren sich beide Referenten einig - sehr viel Geduld erforderlich machen könne. Aber: Eine gute Bestandsaufnahme und eine klare Vision erleichtern die Arbeit und beschleunigen die Umsetzung. Was dann in den einzelnen Gemeinden passiert, also von den Bürgern gemeinsam mit Bürgermeister und Gemeinderat angefasst und umgesetzt wird, könne keinem Plan folgen, sondern sei individuell verschieden. Möglich sind zum Beispiel Tauschbörsen, Zeitbanken, Kulturveranstaltungen, Energiekonzepte für regenerative Energie, Geschichtsaufarbeitung oder Einrichtungen für Menschen, die im Alter vor Ort bleiben möchten. Die Bürger bekommen für ihre Arbeit kompetente Unterstützung, finanzielle Ausstattung und Anerkennung. Es sei schier unglaublich, was die Menschen in den Dörfern auf die Beine stellen könnten, wenn sie einmal begeistert bei der Sache sind. „Wir sollten sie nur immer wieder und immer neu aus ihren Thuja-Hecken hervorlocken“, so Michael Pelzer, der es versteht Menschen für Ideen zu begeistern. Wirtschaftliche Chancen sieht Pelzer im Bereich Energieversorgung: Hier können Gemeinen innovativ sein, und Ressourcen und Geld einsparen. Darüber hinaus kann der ländliche Raum sich zum dezentralen Energielieferanten der Ballungsräume machen
Diese finanzielle Seite zu betrachten, war ebenfalls Teil der Tagung. Eine 1,5 bis zweijährige Projektbegleitung durch SPES in Dörfern und Gemeinden kostet etwa 15.000 bis 20.000 Euro. Dafür kann es allerdings Unterstützung durch EU-Gelder geben, wie der Geschäfts­führer der Leader Aktionsgruppe Oberschwaben Emmanuel Frank erläuterte (Leader: Entwicklungsinitiative zur Förderung innovativer Projekte im ländlichen Raum).
Wie sinnvoll eine solche Investition sein kann, vermittelte der Bürgermeister Karlheinz Kistner aus Oberreichenbach nahe Stuttgart, der in seiner Gemeinde äußerst positive Erfahrungen mit dem Projekt Lebensqualität durch Nähe gemacht hat. Mit zahlreichen Ideen, praxisnahen Umsetzungsmöglichkeiten und der Kenntnis der richtigen Ansprechpartner waren die Teilnehmer und Veranstalter mehr als zufrieden mit diesem gelungenen Nachmittag. Den stimmigen Abschluss der Veranstaltung bildete der Segen des geistlichen Leiters des Klosters Heiligkreuztal, Heinrich-Maria Burkard.